Artikel

Strafrechtliche Verfolgung von Kartellverstössen in Spanien
Julia Suderow
Partnerin 3C Compliance
Dic 15, 2015
Artikel / Artikel

Strafrechtliche Verfolgung von Kartellverstössen in Spanien

Die mögliche Kriminalisierung von Kartellverstösse wird seit Langem in Europa diskutiert. In Spanien, wie in anderen Mitgliedstaaten, war die strafrechtliche Verfolgung von Kartellen und anderen Wettbewerbsverstössen bis dato eher diskret. Die spanische Staatsanwaltschaft hatte bis vor kurzem an diesen Verstösse wenig Interesse gezeigt und der nationalen Kartellbehörde (CNMC) die Verfolgungs­exklusivität überlassen.

 

Im September 2015 wurde jedoch ein strafrechtliches Verfahren gegen den grössten Treibstoffproduzenten und Ölkonzerne in Spanien vor der nationalen Audienz eingeleitet. Das Untersuchungsgericht der nationalen Audienz hat den Antrag auf strafrechtliche Verfolgung von zwei Verbraucher und Antikorruptionsverbänden stattgegeben und ein Untersuchungsverfahren gegen Repsol, Cepsa, Disa, Meroil und Galp sowie gegen deren Präsidenten eingeleitet.

 

Den Angeschuldigten wird eine illegale Preismanipulation zum Schaden Dritter vorgeworfen. Hierbei handelt es sich um einen selten verwendeten Straftatbestand des spanischen Strafgesetzbuches. Artikel 284 des spanischen Strafgesetzgebuchs sieht für die betrügerische Preismanipulation zum Schaden Dritter eine Haftstrafe von 6 Monaten bis 2 Jahre vor. Dieser Tatbestand ist in der Liste der Unternehmensstraftaten vorgesehen, sodass die angeschuldigten Unternehmen und Manager entsprechend bestraft werden können. Die Anzeigeerstatter haben somit die im Jahre 2010 eingeführte strafrechtliche Haftung von juristischen Personen sowie die Bussgeld­entscheidung der CNMC aus dem Jahr 2015 verwendet, um die Einleitung des Verfahrens zu rechtfertigen. Die Kartellbehörde hatte im Februar 2015 diese Unternehmen mit mehr als 32 Millonen Euro wegen verschiedener illegaler Informationsaustausche bestraft.

 

Die Bussgeldentscheidung der CNMC im Verfahren S/474/2013 hält nämlich für bewiesen, dass die genannten Unternehmen zwischen den Jahren 2011 und 2013 „strategische Information“ ausgetauscht hatten, welche für illegalen Vereinbarungen der Benzin und Dieselpreise verschiedener Tankstellen verwendet wurde, und dass diese Vereinbarungen zum Schaden der Verbraucher getroffen wurden.

 

Der Marktanteil der fünf angschuldigten Unternehmen beträgt 68% des Tankstellengeschäfts in Spanien.

 

Der Untersuchungsrichter der Nationalen Audienz hat nun ein halbes Jahr später nach der Entscheidung der Kartellbehörde, die neue Rechtslage und die oben genannten Anzeigen verwendet, um das Verfahren einzuleiten, und auch eine komplette Kopie des Sanktionsverfahren von der Kartell­behörde beantragt. Die Kartellbehörde wird auch die Unterlagen entsprechend weiterleiten müssen, da diese nicht dem besonderen Schutz des Leniency-Verfahren unterliegen.

 

Die angeschuldigten Unternehmen könnten nun im Verfahren eine Strafminderung beantragen, wenn sie ein ausreichendes Compliance Programm und Vorkehrungs­massnahmen vorweisen können. Hierbei muss man aber beachten, dass die spanische Staatsanwaltschaft und Praxis noch die Voraussetzungen für diese Entlastung definieren müssen, da diese Möglichkeit erst im Sommer 2015 eingeführt worden ist.